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Staande Mastroute Oktober 2010: Regenbogenfahrt nach Emden



Am 16. Oktober 2010 ist es Zeit, das Ende der Saison einzuläuten. Sophie soll den Winter in Emden in einer Werft verbringen (Emder Yachtservice). Hier sollen ein paar Dinge erledigt werden, die für sich genommen alle nicht dramatisch sind, aber für uns selbst aus Zeitgründen nicht im Winter zu schaffen sind. Für den Weg dorthin gibt es zwei Alternativen: Außen herum über die Nordsee und mit Abstechern nach Vlieland, Ameland, Borkum und vielleicht noch andere ostfriesischen Inseln oder innen durch die friesischen Kanäle auf der sog. Staande Mastroute.

Wir halten uns beide Alternativen zunächst offen und segeln mit Zwischenstopp über Urk bis nach Harlingen. Dort entscheiden wir aufgrund der Windprognose (7 Bft aus NW in den nächsten Tagen), die Nordsee zu vermeiden und innen durchzufahren. 7 Bft schrecken uns zwar nicht unbedingt, aber der geplante Zwischenstopp auf Ameland wäre nicht möglich, weil wir bei diesen Verhältnissen nicht mehr aus dem Seegat zwischen Ameland und Terschelling herauskommen würden.

Also geht es von Harlingen über Leeuwarden, Dokkum, das Lauwersmeer und Groningen nach Delfzijl. Die letzten Meilen von Delfzijl nach Emden segeln wir die Ems hinauf.
Petra
Olaf

Von Lelystad über Urk nach Harlingen

Urk

Am Samstag, den 16. Oktober treffen wir gegen 13:00 Uhr in Lelystad ein. Wir haben von Köln aus den Zug genommen, weil wir für die Rückreise von Emden einen Transporter reserviert haben. Petra hatte bereits im Laufe der Woche Gepäck und Proviant nach Lelystad gebracht. So können wir zügig starten. Unser Ziel ist Stavoren. Von dort aus soll es am nächsten Tag in die Waddenzee gehen. Aber bereits vor der Houtrib Schleuse verlieren wir eine Stunde Zeit. Es wird nur eine der beiden Schleusenkammern bedient. Hinter der Schleuse empfängt uns Nordwind mit 6 Bft. Wir beginnen vor der Flevomarina Richtung Norden aufzukreuzen. Aber es ist sehr mühsam. Und es ist auch schon kurz nach vier. Nach etwa 1,5 Stunden Durchschütteln unter Sturmfock und gerefftem Groß entschließen wir uns, nach Urk abzudrehen. Dort treffen wir um 18:40 Uhr ein und finden noch einen netten Platz an der Südwestmole. Wir machen es uns unter Deck gemütlich. Es gibt Spaghetti mit Champignons. Die Nacht ist ruhig – aber kalt.

Am nächsten Morgen hat der Wind merklich nachgelassen. Wir stehen um 7:30 auf und werfen erst mal die Heizung an. Kurz nach neun legen wir ab und machen uns bei NO 2-3 und Sonnenschein auf den Weg nach Nordwesten. Der Windpilot steuert. Um 12:30 ist der Wind völlig eingeschlafen. Wir befinden uns zwischen Enkhuizen und Stavoren und werfen den Jockel an. Unter Motor erreichen wir die Lorenzschleuse bei Kornwerderzand.

Auf dem Weg nach Kornwerderzand
In der Lorenzschleuse

Das Schleusen dauert nur 45 Minuten inklusive Brückendurchfahrt. Fast schon rekordverdächtig! Um 16:00 befinden wir uns auf der Waddenzee und auf dem Weg nach Harlingen. Dort machen wir um 17:20 im Noorderhafen fest. Der Hafenmeister ist schon nicht mehr im Büro, aber die Windprognose der nächsten Tage hängt an seinem Büro aus. NW 7 auf der Nordsee! Unsere Entscheidung steht fest: Wir nehmen die Staande Mastroute.

Harlingen Impressionen

Gut, dass wir schon nach unserem Ostfrieslandtörn das holländische Handbuch dazu gekauft haben (ANWB Staande Mastroute). Hier ist alles im Detail beschrieben. Wassertiefen, Durchfahrtshöhen, Betriebszeiten der Schleusen und Brücken sowie das zum Teil erforderliche Brückengeld. Diese Literatur ist unverzichtbar!

Froh über unsere Entscheidung (weil wir jetzt nicht so früh aufstehen müssen!) machen wir uns einen netten Abend im Restaurant Eten en drinken bij Ons. Gutes Essen, guter Wein.

Von Harlingen über Leeuwarden nach Burdaard

Wir schlafen uns schön aus. Um 11:13 legen wir ab. Die Brücke zum Noorderhafen öffnet immer 15 Minuten vor und nach der vollen Stunde. So auch jetzt für uns. In Harlingen nehmen wir die Schleuse in das Binnenland. Wir können direkt mit drei Plattbodenschiffen schleusen. Auf dem Weg Richtung Leeuwarden haben wir kräftigen Wind aus Südwest. Genau richtig, um die Genua zu setzen. So segeln wir etwa 10 Seemeilen ohne Motorkraft durch die streckenweise sehr idyllische Landschaft. Die meiste Zeit bleibt es trocken und wir genießen die Ruhe.

In Leeuwarden muss man mehrere Brücken passieren. Brückengeld ist gesammelt bei einer Brücke im Zentrum fällig. Die Fahrt durch die Stadt ist interessant. Fast hat man das Gefühl, auf dem Dorfteich zu schippern (ein Gefühl, das uns auch bei den nächsten Stadtdurchfahrten überkommt). In Leeuwarden könnte man auch schön mitten in der Stadt liegen. Aber wir wollen heute noch weiter in Richtung Dokkum.

Leeuwarden
Kühe am Kanal

Etwa 5 Meilen vor Dokkum bleiben wir jedoch vor einer Brücke hängen. Es ist die zweite Brücke des Örtchens Burdaard. Eigentlich sollte die bis 16:15 in Betrieb sein, aber die beiden roten Lichter übereinander signalisieren uns um 16:10, dass schon Pause gemacht wird. Auf die Weiterfahrt ab 17:00 verzichten wir, weil es uns dann zu spät wird. Im Dunklen wollen wir nicht auf den Kanälen unterwegs sein – diese Erfahrung hat uns auf unserem Trip von der Ostsee ins Ruhrgebiet schon gereicht.

Stattdessen steuern wir den kleinen Yachthafen direkt links vor der Brücke an. Der soll angeblich 1,50m tief sein. Aber wir schieben schon unsere 1,40m durch den weichen Schlick. Immerhin, hier gibt es auch Strom. Die Hafenmeisterin wohnt ein paar Schritte zurück auf der anderen Seite des Kanals. Netterweise gibt sie mir den Schlüssel für die Duschen – eigentlich ist der Hafen schon außer Betrieb. Dafür brauche ich noch nicht einmal Hafengeld zu zahlen. Sehr nett von ihr. So liegen wir nun malerisch zu Füßen einer alten Windmühle und machen es uns unter Deck gemütlich. Nachts regnet es teilweise heftig, aber der Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein.

Yachthafen von Burdaard

Von Burdaard über Dokkum, das Lauwersmeer und Zoutkamp nach Garnwerd

Es ist Dienstag, der 19. Oktober. Wir brechen um 10:20 Uhr auf. Es ist mal wieder Brückengeld fällig (klassisch im Holzschuh).

Brückengeld in Burdaard

Wir erreichen Dokkum gegen 11:15 Uhr. Vor der ersten Brücke müssen wir einen Moment warten. Der Brückenwärter bedient alle Brücken in der Stadt alleine und begleitet uns von Brücke zu Brücke auf dem Fahrrad. Der Job hält fit! Am Ortsausgang von Dokkum nutzen wir die Gelegenheit, zu tanken. Leider kommen wir dadurch zu spät zur letzten Brücke in Dokkum. Wobei – eigentlich sind wir noch nicht zu spät, aber auch hier scheint man die Betriebszeiten nicht ganz so genau zu nehmen und macht schon ein paar Minuten früher Pause. Also legen wir uns vor die Brücke und machen uns Linsen mit Spätzle und Würstchen vom Vorabend warm. Während der Pause ziehen Regenschauer über uns hinweg. Da kommt der Zwischenstopp ja genau passend.

Pünktlich zur Weiterfahrt um 13:00 ist die Sonne wieder da. Es folgt ein kleiner Abstecher ins Lauwersmeer. Hier sollte man sich an die Tonnen halten. Dahinter wird es schnell flach. Das Wetter ist mittlerweile durchwachsen. Sonne und Regen wechseln sich ab. Wir sehen so viele Regenbögen wie selten zuvor. In Zoutkamp passieren wir die Schleuse, die das Lauwersmeer vom Binnenland trennt. Kurz dahinter folgt gegen 16:30 Uhr eine weitere Schleuse – Lammersburen – die normalerweise offen stehen sollte. Das tut sie aber heute nicht und – was noch blöder ist – sie ist defekt. Notgedrungen machen wir erst mal fest, was gar nicht so einfach ist, weil hier Strömung im Wasser herrscht. Das Schleusenpersonal teilt uns über Funk mit, dass ein Techniker unterwegs sei. Wir sind gespannt, ob das heute noch was gibt und werden positiv überrascht: Um 17:30 geht es weiter. So tuckern wir noch bis in die Abenddämmerung und erreichen den netten Hafen von Garnwerd.

Regenbogen
Schleuse Lammersburen (gesperrt)

Auch hier ist der Betrieb schon fast eingestellt. Immerhin kommt noch eine nette Hafenmeisterin, um zu kassieren. Das Restaurant hat kurz darauf bereits zu. Wir haben den Eindruck, die einzigen Gäste zu sein.

Von Garnwerd nach Groningen

Bei der Planung der weiteren Fahrt bekomme ich einen Schreck. Laut unserer Unterlagen muss man in Groningen ab Oktober die Durchfahrt am Vortag bis spätestens 16:00 Uhr anmelden. Mist, daran haben wir gestern nicht gedacht! Hoffentlich klappt das auch so. Ich rufe die Brückenzentrale von Groningen an. Dort bekomme ich in einwandfreiem Deutsch die freundliche Auskunft, dass das alles kein Problem sei. Wir sollen lediglich die übliche Mittagspause beachten. Alle Brücken werden heute bis 12:00 Uhr und von 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr bedient. Und auch morgen kommen wir ab 9:00 Uhr weiter durch die letzte Brücke.

Beruhigt brechen wir um 10:20 auf. Das Wetter ist heute so richtig bescheiden! Saukalt und feucht! Auf unserem Weg werden wir verfolgt von einem Plattbodenschiff, das auch in Garndwerd lag. Wir waren also doch nicht ganz allein. In der Schleuse vor Groningen hat uns das Plattbodenschiff eingeholt. Von hier ab lassen wir es erst einmal vorweg fahren.

Ein schwarzes Schaf ist immer dabei!
Letzte Schleuse vor Groningen

Alle Brücken gehen auf. Wir schaffen es bis mitten in die Stadt und müssen erst um 12:20 Uhr vor einer Brücke eine Pause einlegen. Um 13:10 geht es weiter und mitten in die Altstadt. Auch hier begleitet uns ein junger Brückenwärter von Brücke zu Brücke auf dem Fahrrad. Das Plattbodenschiff folgt uns auf den Fersen. Hin und wieder ruft die Skipperfrau uns etwas Nervöses auf Holländisch herüber, weil sie zu dicht aufkommen. Aber wir können uns ja auch nicht in Luft auflösen und der Brückwärter kann sich auch nicht von Brücke zu Brücke beamen. Natürlich geht alles gut, alle Aufregung war umsonst, und wir erreichen gegen 14:00 Uhr den Oosterhafen von Groningen. Wir fahren in eine freie Box und erwischen – es musste ja so kommen – genau die Box, in die das Plattbodenschiff auch fahren will, um dort den Winter zu verbringen. Aber da muss selbst die nervöse Skipperfrau lachen … Wir verlegen unser Schiff in eine andere Box und freuen uns auf die Stadt.

Pause in Groningen
Unsere Verfolger
Liegeplatz im Oosterhafen

Groningen ist auf jeden Fall eine Reise wert. Wir sind sehr angetan von der quirligen Stadt mit vielen historischen Gebäuden, in der viele junge Menschen unterwegs sind. Die Vielzahl junger Leute liegt sicher an der Universität. Ein beeindruckendes, altehrwürdiges Gebäude und soweit wir wissen eine der ältesten Universitäten der Niederlande. Sehenswert! Wir essen zu Abend auf dem Pannekoekenship in der Nähe des Yachthafens. Dabei handelt es sich um ein riesiges altes Plattbodenschiff, dass zum Restaurant umgebaut wurde. Hier gibt es Pfannkuchen in allen Variationen. Die Portionen sind wie üblich in Holland riesig. Und es schmeckt auch sehr lecker.

Groningen Impressionen

Von Groningen über Delfzijl nach Emden

Wir brechen am Donnerstag um 10:20 auf und machen uns auf den Weg zur letzten Etappe über Delfzijl nach Emden. Die Fahrt bis Delfzijl wird durch ein paar Brückenpassagen unterbrochen, was aber kaum aufhält. Dieses letzte Stück auf dem Kanal ist mit Abstand das am wenigsten attraktive unserer Reise. Schnurgeradeaus und laaangweilig. Einziges Highlight: Ein Hausboot, dass von einem Schlepper zur neuen Adresse geschoben wird. Umzug auf holländisch! Um 13:30 Uhr ist es dann endlich soweit: Wir passieren die Seeschleuse in Delfzijl und lassen damit das Binnenland hinter uns. Eigentlich wollten wir hier in Delfzijl noch tanken, aber die Dieseltankstelle im Yachthafen ist leider außer Betrieb. Also machen wir uns so auf den Weg nach Emden. Unser Tank ist ja groß genug und auch noch fast voll.

Umzug auf holländisch
Seeschleuse Delfzijl

Es herrscht ablaufendens Wasser. Dazu Wind aus westlichen Richtungen mit 6-7 Bft. Also Wind gegen Strom. Aber wir haben den Wind von hinten. Unter voller Genua rauschen wir Emden entgegen. Dabei machen wir über 5 Knoten Fahrt über Grund bei 2,5 – 3 Knoten Strom gegenan. Die Wellen sind ziemlich groß und wir surfen das eine um das andere Mal die Wellentäler hinab. Was für ein Saisonabschluss! Um 16:45 Uhr erreichen wir die Seeschleuse Emden. Wir haben Glück, zwei Berufsschiffe fahren in die Schleuse. Wir können direkt mit einfahren. Aber die Schleuse an sich ist eine Zumutung für Sportschiffe. Die Festmacherstangen liegen auf Höhe der Wasserlinie auf Schwimmstegen, deren nackte Holzkanten nicht gepolstert sind. Bei 7 Bft von hinten lassen sich hier Kratzer im Gelcoat kaum vermeiden. Aber was solls. Wir kommen durch und haben unser Reiseziel Emden nun endlich erreicht.

Wir finden einen schönen gut geschützten Liegeplatz im Clubhafen des Vereins "Segelnde Friesen Emden e.V.". Hier können wir entspannt liegen und lernen ein paar Vereinsmitglieder kennen. Alles und alle wirklich sehr nett! Nach einem schönen Spaziergang durch die Stadt zieht es uns in ein Fischrestaurant: Das Alt-Emder Bürgerhaus. Dort sind wir auf Empfehlung hingegangen und wurden nicht enttäuscht. Sehr leckeren Fisch haben wir dort gegessen.

Emden
Segelnde Friesen Emden e.V.
Docks von Emden

Auskranen und Winterlager

Am Freitag, den 22.10.2010, ist es soweit. Noch bei den "segelnden Friesen" nehmen wir die Segel ab und demontieren den Baum. Dann tuckern wir zur Werft. Am frühen Abend wird der Mast gelegt und unser Schiff vom Personal des Emder Yachtservice routiniert an Land gesetzt. Bei Sixt, nur ein paar Meter entfernt, haben wir uns einen Transporter gemietet. Erst kam uns der Wagen etwas groß vor, aber als dann alles darin verstaut war (Polster, Segel, Kleinkram), waren wir froh, den nicht eine Nummer kleiner genommen zu haben.

Sophie hoch und trocken
Der Transporter ist voll

Wir verbringen die letzte Nacht auf dem Schiff. Am Samstagmorgen besprechen wir noch kurz die letzten Details mit Egon Jaspers, dem Werftbesitzer. Dann geht es auf den Heimweg nach Kölle. Die Saison ist zu Ende. Sophie sehen wir im März 2011 wieder. Mannomann, ist das lange hin ...
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