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Nordsee 2009: London Calling!Letztes Jahr im Sommer war uns die Zeit zu knapp und der Wind zu stark. Dieses Jahr haben wir uns zwei Wochen Zeit genommen. Unser Ziel ist die englische Südostküste. Und vielleicht – mit etwas Glück – schaffen wir es ja auch bis London? Wir werden begleitet von unseren Freunden Kathrin und Peter. Wie für uns ist auch für die beiden der lange Schlag über die Nordsee nach England eine Premiere, der sie mit Spannung entgegen sehen. (Literaturtipp: Reeds Nautical Almanac (Reed's Almanac))Petra und ich beziehen unser Boot am Freitagabend. Endlich Urlaub!! Zeit, um richtig abschalten zu können. Mit dem ersten Fuß an Bord setzt die Entspannung ein. Unsere Freunde stoßen am Samstagmorgen zu uns. Sie haben Frühstück mitgebracht. Schnell sind die letzten Vorräte verstaut. Dann kann es losgehen. Erste Etappe: Lelystad – Amsterdam – IJmuiden – LowestoftSamstag: Ein schöner Segelwind bringt uns nach Südwesten. Vorbei am Pferd von Marken erreichen wir Amsterdam und passieren die Oranjesluis. Vorbei am Bahnhof und Amsterdams Zentrum bewegen wir uns im Nordzeekanal Richtung IJmuiden, nicht ohne einen Blick auf die winzige Hafeneinfahrt zum berühmten Sixthaven zu werfen. Der weitere Weg nach IJmuiden führt vorbei an Industrieanlagen und Umschlagplätzen für Container und andere Fracht. Gegen Abend erreichen wir die Seeschleuse von IJmuiden. Wir machen auf der Binnenseite der Schleuse fest und verbringen hier die erste Nacht.Sonntag: Wir brechen ohne Hektik auf, es ist 09:00 Uhr. Die Schleuse öffnet und wir fahren mit einigen anderen Yachten ein. Neben uns liegt eine große Oceanis britischer Herkunft, an der wir festmachen. Die Skipper-Ehefrau beäugt das kritisch, ihr Mann ist dagegen sehr freundlich und mitteilsam. Wo wir denn hin wollten? Nach Lowestoft? Das wäre ja klasse! Sie wohnten nur 10 Meilen von dort entfernt. Und was wir in England so vor hätten? Nach London? Super, das würden sie dieses Jahr auch noch vorhaben. Sein Tipp: Am Ausgang der Themse in Queenborough festmachen und übernachten. Am nächsten Morgen mit der auflaufenden Tide die Themse hoch nach London. In 7 Stunden sei man an der Tower Bridge ... Was man nicht so alles in den 10 Minuten in der Schleuse erfährt. Diesen Tipp merken wir uns. "Queenborough" schreibe ich direkt auf. Schnell haben wir die Schleuse und den Vorhafen von IJmuiden hinter uns gelassen. Willkommen auf der Nordsee. Wir haben Südwest mit 3-4 Windstärken. Kurs 270 Grad, Lowestoft liegt 110 Seemeilen direkt voraus. Sophie liegt schön auf der Backe, aber zieht unbeirrt ihre Bahn. Wir haben – wie immer – das Funkgerät eingeschaltet und hören Kanal 16 ab. Ich hätte nicht gedacht, wie viel hier gefunkt wird. Die großen Pötte rufen sich gegenseitig, um ihre Manöver abzusprechen. Zwischendurch immer wieder Ermahnungen, die Funkdisziplin zu wahren, wenn die Gespräche nicht direkt auf einem Arbeitskanal fortgesetzt werden: "Gentlemen, please discuss your problems on an other channel!" Die Überfahrt beginnt nach ein paar Stunden etwas anstrengend zu werden. Anfangs waren wir alle noch recht vergnügt, langsam setzt jetzt aber Müdigkeit und auch Seekrankheit ein. Da hilft dann auch kein SuperPEP mehr. Wir passieren Bohrinseln. Vor einer dieser Inseln werden wir von einem Wachschiff (Jason II) angefunkt und aufgefordert, den Kurs zu ändern und mehr Abstand zur Insel zu halten. Alles aber sehr höflich und freundlich. Kein Problem. Wir wenden und holen uns etwas Raum nach Süden. Nach einiger Zeit liegt auch diese Bohrinsel hinter uns. Langsam beginnt der Himmel, dunkler zu werden. Die Nacht setzt ein. Wir schalten die Positionslichter ein. Nicht lange, und man sieht nur noch die von den Positionslichtern grün und rot angeleuchtete Gischt um den Bug herum spritzen, um wenig später als weiß funkelnder Schaum den Hecklichtsektor zu passieren. Fahrt über Grund, 5-6 Knoten. Gefühlte Fahrt: 10 Knoten! Ein irres Erlebnis – auch wenn ich leichte Bauchkrämpfe habe. Wir nähern uns den beiden Tiefwasserwegen, die wir queren müssen. Hier herrscht tatsächlich dichter Verkehr. Riesige Fähren und Frachtschiffe kreuzen unseren Weg. Aber durch die Positionslichter sind die großen Pötte, ihr Kurs und ihre Geschwindigkeit sehr gut zu erkennen. Es sieht fast so aus wie die kleinen Bilder in den Prüfungsfragebögen zu den Sportbootführerscheinen. Aber es ist schon etwas Besonderes, wenn man schräg hinter sich grün – weiss – rot sieht und sich klar macht, was für ein Ozeanriese da von hinten aufkommt. Sehr aufregend, aber unterm Strich gut zu bewerkstelligen. Es ist bereits Montag. Vor uns fängt der Nachthimmel an zu leuchten. Lowestoft? Wir dachten gar nicht, dass diese Stadt so viel Licht abstrahlt. Langsam kommen wir näher und stellen fest, dass es sich hier noch gar nicht um das Festland handelt, sondern um ein enorm großes Ölbohrfeld, durch das wir mitten hindurch fahren. Eine Plattform reiht sich an die andere. Wir brauchen Stunden, um das Feld zu passieren. Langsam setzt die Morgendämmerung ein. Und nun kommt wirklich Land in Sicht! Was muss das für ein Gefühl für Seeleute sein, die monatelang auf See waren und nun das Land zum Greifen nahe vor sich haben? Und das Schlimmste ist, es dauert immer noch Stunden, bis man da ist. Vor Lowestoft liegen große Sandbänke. Wir sind bei Niedrigwasser eingetroffen und müssen daher gegen Wind und Strom einen Haken nach Süden schlagen. Wir entschließen uns – nach zähem Ringen – die Segel zu bergen und die letzten Meilen unter Motor zurück zu legen. Irgendwann liegt auch die letzte Sandbank hinter uns und die Hafeneinfahrt von Lowestoft befindet sich unmittelbar vor uns. Über Funk kontaktieren wir Lowestoft Port Control und bitten um Erlaubnis, in den Hafen einzufahren. Erlaubnis erteilt! Wir fahren ein und machen fest in der Marina südlich unmittelbar hinter der Hafeneinfahrt. Wir haben es geschafft! Wir sind in England angekommen!!! Zwar total kaputt, hundemüde und ziemlich zerzaust, aber wir sind da. Und trinken vor Schreck erst mal ein Bier (außer Petra), um dann halb tot in die Kojen zu fallen. Gegen Mittag beenden wir unseren Erholungsschlaf, machen uns frisch und sehen uns um. Südlich von der Hafeneinfahrt hat Lowestoft einen breiten Sandstrand. Viel los ist dort jedoch – trotz Sonnenschein – nicht. Später unternehmen wir einen kleinen Rundgang durch die Stadt (es gibt sicher schönere Städte) und suchen einen Pub, um Whiskey und Guinness auszuprobieren. Außerdem müssen wir Wettschulden einlösen. Vor der Überfahrt haben wir auf die Ankunftszeit in Lowestoft gewettet (very british!!). Peter hat gewonnen (aber eigentlich nur, weil wir noch stundenlang um die Sandbank herum schippern mussten :-) Wie üblich ist der Malt Whiskey im britischen Pub äußerst erschwinglich (im Gegensatz zu Deutschland). Geht runter wie Öl :-) Zweite Etappe: Lowestoft – Harwich – QueenboroughAm Dienstag verlassen wir Lowestoft mit Ziel Harwich, dem nächsten im Süden von Lowestoft gelegenen Hafen. Der südwestliche, südlich drehende Wind bleibt uns erhalten. Zunächst kommen wir noch ganz gut voran, die Strömung setzt südlich. Irgendwann frischt der Wind jedoch auf 5 Bft auf und das Kreuzen wird anstrengend.Hier ein kleines Video dazu: Wir reffen (mit einiger Mühe) und kreuzen gegen große Wellen (3m+) an. Es zieht sich und nach dem letzten Gewaltschlag ist die Motivation hinsichtlich stundenlanger Törns eher niedrig. Auch die Tide kippt irgendwann und der Strom setzt nun nördlich. Aber es hilft nichts. Zu Harwich gibt es keine Alternative (jedenfalls keine nähere). Wir erreichen Harwich gegen Abend und machen fest in der Shotley Marina. Diese liegt auf einer Landspitze westlich vom großen Containerhafen Harwich. Das Hafenbecken der Marina liegt in einiger Höhe und ist nur durch eine Schleuse zu erreichen. Die kleine Schleuse ist allerdings – sehr praktisch – mit Festmacherklampen auf Schwimmstegen ausgestattet. Das Schleusen ist (nach der übliche Anmeldung über Funk) schnell erledigt. Der sehr freundliche Hafenmeister reicht uns schon in der Schleuse einen Stromadapter und weist uns einen Liegeplatz zu. In der Dämmerung machen wir fest und werfen den Kocher an. Nebenbei müssen wir im Toilettenbereich aufwischen, denn bei der Schaukelei ist etwas Wasser aus der Toilette in das Schiffe geschwappt. Echt lekker! Aber das kann einen Seemann ja bekanntlich nicht erschüttern :-) Beeindruckend ist die Aussicht von der Shotley Marina auf den Containerhafen. Dort herrscht Dauerbetrieb. Riesige Frachter werden be- oder entladen. Kräne fahren hin und her und platzieren die Container passgenau an Deck der Schiffe. Wir verlassen Harwich am Mittwoch in der Frühe. Leider gibt es hier in der Marina keine Gelegenheit, Frühstücken zu gehen. Aber wir sind ja gut ausgestattet. Heute haben wir wirklich angenehmes Wetter. Die Sonne scheint. Der Wind kommt zwar von vorne, ist aber relativ schwach. Wir haben uns sowieso vorgenommen, nur unter Motor zu fahren, damit wir mit der passenden Strömung in das Themsedelta einlaufen können. Das Themsedelta ist navigatorisch mehr als nur eine mittlere Herausforderung. Starke Strömungen, Sandbänke, kreuzende Seen. Fast nicht vorstellbar, dass hier schon vor hunderten von Jahren Schiffe ohne ausgelegte Betonnung und nur mit Lot, Logge und Kompass ein- und ausgelaufen sind. Wir sind jedenfalls froh, dass wir ein GPS haben und loggen unsere Position an den engen Stellen alle zwei Minuten auf der Karte. So hangeln wir uns sicher auf der nördlichen Passage in die Themse hinein. Vor der Landspitze östlich von Southend-on-Sea werden die Wellen sehr steil. Und das bei höchsten drei Windstärken quer zum Strom. Was hier bei 5 Bft und Wind gegen Strom los ist, möchte ich mir nicht ausmalen. Es wäre dann mit Sicherheit keine gute Idee mehr, mit einem Schiff unter 10 m Länge hier einzufahren. Wir queren die Fahrrinne (Wahrschau! Dicke Pötte sind hier schnell unterwegs!), passieren das Wrack eines alten Munitionsschiffes, das noch aus dem Wasser ragt, lassen Sheerness links liegen und biegen ein in den nach Süden abzweigenden River Swale. Dort liegt vor Queenborough ein großes Muringfeld. Es ist heute wenig los. Wir haben die große Auswahl und können in aller Ruhe an einer Muring festmachen. Das war heute wirklich ein schöner Tag auf See, wenn auch unter Motor. Wir kochen an Bord und holen Gitarre und "Das Ding" heraus. Und nicht nur einmal fragen wir uns: "What shall we do with the drunken sailor?" Ich will nicht ausschließen, dass unsere Nachbarn sich das auch gefragt haben :-)) Dritte Etappe: Queenborough – LondonAm Donnerstag morgen werde ich geweckt vom Hafenmeister. Er ist mit seinem Boot längsseits gekommen, um zu kassieren. Das Liegen an der Muring kostet vertretbare 9 britische Pfund. Wir frühstücken in aller Ruhe und brechen etwa eine Stunde vor Niedrigwasser Sheerness auf. Der perfekte Zeitpunkt. Einmal an Sheerness vorbei, beginnt die Strömung uns langsam aber sicher die Themse hoch zu schieben. Zu Beginn zieht eine kleine Regenfront über uns hinweg. Kurzzeitig beträgt die Sichtweite höchstens noch 50 Meter. Aber der Himmel reißt schnell wieder auf. Danach bleibt uns die Sonne für den Rest des Tages erhalten.Auf der Themse orientieren wir uns an den roten und grünen Fahrwassertonnen. In der Segelkarte sind Empfehlungen verzeichnet, wann man die Seite wechseln sollte. Auf große Schiffe muss man hier gefasst sein, wir haben jedoch kaum welche gesehen. Es geht vorbei an alten Bunkern, Ölpipelines und Industrieanlagen. Langsam nähern wir uns London. Eine Stunde bevor wir das Themse Sperrwerk erreichen, melden wir uns dort per Funk an. Wir sollen uns wieder melden, wenn das Sperrwerk in Sichtweite kommt. Das tun wir und bekommen ein Gate zugewiesen, durch das wir hindurch fahren sollen. Hinter dem Sperrwerk fängt London an. Die ersten Hochhäuser liegen am Flussrand. Dazwischen das eine oder andere aristokratische Bauwerk. Katamaran-Fährschiffe, die verdammt schnell um die Ecke kommen, kündigen das Zentrum der Großstadt an. Am südlichen Flussufer nähert sich der Millennium Dome. An dieser Stelle verläuft der Null-Meridian. Gespannt überwachen wir unser GPS und warten auf den Moment, in dem 000° 00' 00'' Länge angezeigt werden. Es ist soweit!! Unsere erste Meridian-Überquerung ist perfekt. Aus diesem Anlass genehmigen wir uns ein Glas Rotwein und stoßen auf diesen historischen Moment an. Aber wir sind noch nicht am Ziel. Noch vier Flussbiegungen, dann liegt sie vor uns: Ein unbeschreiblicher Moment, wenn man die zum ersten Mal vor sich hat. Wir brechen spontan in Jubel aus. Unglaublich, wir haben es tatsächlich bis hierhin geschafft und sind mitten in London. Ein absoluter Hammer! Rechts vor der Tower Bridge liegen die St. Katharine Docks. Peter hat heute morgen dort angerufen und noch einen Liegeplatz ergattert (empfehlenswert ist es, zwei oder drei Tage vorab schon telefonisch oder via Internet zu reservieren!). Wir sind noch zu früh dran. Die historische Schleuse in den Yachthafen wird erst 2 Stunden vor Hochwasser in Betrieb genommen und ist bis 1,5 Stunden nach Hochwasser passierbar. Wir machen an einer der Muringtonnen vor der Schleuse fest, dümpeln vor uns hin und genießen den Ausblick. Eigentlich kann ich es immer noch nicht fassen, wo wie hier gerade mit unserem kleinen Schiff herum treiben. Endlich öffnet die Schleuse. Ein paar dicke Motoryachten drängeln sich vor. Aber der Schleusenwärter schreitet irgendwann ein und lotst uns nach vorne ("The small german yacht first, please!"). Wir bekommen einen Platz im östlichen Hafenbecken am Kopfende eines Steges. Vierte Etappe: LondonLondon, wir sind da! Und wie. In einem Hafen, bei dem man sonst im vorbei gehen denken würde, hier lägen doch nur Millionäre. Nein, wir auch! Wir sind zwar sehr gespannt auf die Hafengebühr, sind uns aber einig, dass es uns das – was auch immer es kosten mag – wert ist. Bevor wir die Stadt bei einem ersten Abendspaziergang erkunden, kehren wir in einem der Hafenrestaurants, The Dickens Inn, ein. Wir bekommen eine sehr leckere Pizza inklusive einem atemberaubenden Ausblick vom Balkon auf die angestrahlte Tower Bridge. Und der Preis ist relativ zivil.Am nächsten Tag, Freitag, ziehen unsere Freunde und wir getrennt voneinander los. Wir möchten uns die Wachablösung ansehen, die ich bei unserem ersten Aufenthalt in London versäumt hatte. Außerdem sind wir gegen Mittag zum Lunch mit meinen Kollegen von SKOPOS UK verabredet. Von der Wachablösung nehmen wir den Doppeldeckerbus in Richtung Liverpool Street. Der Bus ist fast leer. Wir sitzen oben und vorne und haben den besten Ausblick. Kein Vergleich zur Tube! Wir treffen meine Kollegen Scott und Rob, mit denen wir zum Essen in der Brick Lane verabredet sind. Die Brick Lane ist bekannt für die Küche aus Bangladesh. Man geht in so ein Lokal beim Bangladeshi und fühlt sich direkt wie in eine andere Welt versetzt. Großartig und – nebenbei – saulecker! Es wird ein sehr netter Nachmittag. Nachdem wir uns von meinen Kollegen verabschiedet haben (die extrem beeindruckt waren, dass wir mit unserem Schiff hier hin gekommen sind), nehmen wir einen Bus zurück bis zur St. Paul's Cathedral. Artig zahlen wir Eintritt und besichtigen in der Krypta das Grab von Lord Nelson (und anderen). Da muss man natürlich als Seefahrer mal gewesen sein :-)) Auf dem Rückweg über die Millennium Bridge und am Tate Modern vorbei machen wir noch einen Abstecher über den sehenswerten Borough Market, auf dem unter anderem auch der englische Fernsehkoch Jamie Oliver einzukaufen pflegt. Zum Abschluss unseres Ausflugs genehmigen wir uns ein leckeres Getränk in einer Bar direkt vis-a-vis der HMS Belfast, die am Flussufer vor der Tower Bridge als Museumsschiff festliegt. Unsere Freunde sind auch schon wieder an Bord, als wir zurückkehren. Sie haben – nach eigenen Angaben – heute das Wanderabzeichen gemacht! Hut ab, kann ich nur sagen. Ich hoffe, das wird in Zukunft als silberne Plakette ihren Spazierstock aus Knüppelholz zieren :-)) Jedenfalls sind unsere Freunde für einen ausgedehnten Abendausflug nicht mehr zu begeistern. Stattdessen gehen wir in einer nahe gelegenen Bar noch etwas trinken. Seltsame Getränke haben die Engländer. "Do you have a 'slippery nipple'?", fragen Peter und ich die nette junge Dame hinter der Theke. Ihrem kritisch-prüfenden Blick entnehmen wir, dass ihr das auch noch nicht so bewusst war, das dieses Getränk auf ihrer Karte steht :-) Jedenfalls – Kathrin bekommt ihren "nipple" und findet den gut, möchte noch einen, einen doppelten, bitte! Wir wieder zur Theke: "Do you have a double nipple?" Die Augen hinter der Theke werden immer größer. Wir erklären: "Well, you know, on one nipple she cannot stand!" Mir kommen jetzt beim Schreiben noch die Tränen :-)))) Fünfte Etappe: London – Queenborough – RamsgateAm Samstagmorgen ist es Zeit, den Rückweg anzutreten. Wir haben uns bereits bei der Ankunft für eine bestimmte Schleusenzeit angemeldet, aber es klappt nicht ganz so, wie vorgesehen. Die Schleuse, die wir nehmen sollten, ist bereits voll. Erst in der nächsten kommen wir mit. Vielleicht hätten wir uns einfach früher anstellen müssen. Auf jeden Fall, wir sind wieder unterwegs, die nächste Schleuse wäre wohl etwas knapp geworden. Übrigens: Pro Nacht haben wir für unser Schiff gerade mal 36 Pfund bezahlt! So sensationell günstig kann man sonst nicht mit 4 Personen mitten in London absteigen. Die Anreise per Schiff lohnt sich also ...Der Rückweg die Themse hinunter verläuft unspektakulär. Die Anmeldung am Themse Sperrwerk ist mittlerweile Routine. Alles weitere eigentlich auch. Gegen Abend erreichen wir wieder das Muringfeld vor Queenborough. Diesmal ist es allerdings voll. Wir können gerade noch die letzte freie Tonne ergattern. Nach uns eintreffende Holländer versuchen, sich zu dritt an eine Tonne zu legen. Aber der Hafenmeister ist dagegen. Stattdessen machen sie gegenüber an einem vor Anker liegenden Frachtschiff fest. Irgendwas geht hier immer! Es bleibt festzuhalten: Der Queenborough-Tipp vom Engländer in der Schleuse von IJmuiden war wirklich Gold wert. Außer diesem Muringfeld gibt es keine komfortable Möglichkeit, die passende Strömung in der Themse abzuwarten. Außerhalb des Deltas ist es zu weit weg, im Delta geht gar nichts, weil die Zufahrten zu den Häfen trocken fallen und man nur bei Hochwasser, also zur falschen Zeit, auslaufen kann, und innerhalb der Themse kommt – außer Industriehäfen und Anlagen – nichts. Unser nächster Anlaufpunkt ist Ramsgate. Seit Sonntagmorgen ist der Wind sehr ruhig geworden. Er weht ein Hauch aus Westen. Wir nutzen die ablaufende Tide und segeln an der Südseite des Themsedeltas entlang. Leider ist der Wind irgendwann zu schwach. Außerdem kommt eine spannende Flachstelle, die wir lieber unter Motor passieren wollen. Auch danach ist an Segeln nicht mehr zu denken. So erreichen wir Ramsgate "high on diesel". Wir melden uns wie üblich bei Ramsgate Port Control per Funk an und bitten um Erlaubnis, in den Hafen einzulaufen. Die Erlaubnis wir erteilt. Bei der Einfahrt in den Hafen übrigens unbedingt die Grüne Tonne vor der Hafeneinfahrt beachten! Rechts daneben ist es flach. Ramsgate ist ein sehr schöner Ort an der englischen Südostküste. Die Stadt steht auf weißen Kreidefelsen. Der Hafen breitet sich davor in mehreren Becken aus. Nördlich gibt es einen netten und wenig bevölkerten Strand. Die Stadt selbst hat noch einiges an alter Bausubstanz zu bieten. Aber es ist kein Touristenort. Hier wird noch gelebt und gearbeitet. Den ersten Abend gehen wir Fisch essen in Harvey's Restaurant direkt an der Hafenstraße. Die Portionen sind eher übersichtlich, der Preis hoch. Aber die Qualität ist sehr gut. Später nehmen Peter, Kathrin und ich noch einen Absacker in einem kleinen Pub in einer Seitengasse. Das bringt uns nach dem Nobeldinner "down to earth": Zahnlose schmährige Jungs grölen Bob Marley Songs und lallen von den Strapazen des zweiwöchigen (!) Ehelebens, hinter der Theke stehen Mutter (vom Leben gezeichnet) und Tochter (XXXXL), schenken fröhlich Bier und andere Getränke aus. Auf dem Tresen bilden Desinfektionsspray und Bierglas ein anmutiges Stillleben. Wir fühlen uns bestens unterhalten. Eigentlich wollten wir am Montag noch nach Dover segeln. Angesichts der vorhergesagten Windverhältnisse und der anstehenden Kanalüberquerung am Dienstag beschließen wir aber, noch in Ramsgate zu bleiben. Ein schöner Hafentag bei bestem Wetter! Und noch eine lustige Begebenheit mit dem Zoll, den ich in Gestalt von 8 Uniformierten und einem Drogenspürhund auf dem Steg vor unserem Boot antreffe. "Did you just arrive?", werde ich gefragt. "No, we came in yesterday. But those guys", ich deute auf das belgische Nachbarboot, das vor zwei Minuten angelegt hat, "arrived a few minutes ago." Kurzerhand wenden sich die Beamten den Belgiern, einem Ehepaar im mittleren Alter, zu, heben den Hund an Bord und durchsuchen das Schiff (sie haben natürlich nichts gefunden …). Überhaupt: Hafenkino in Ramsgate, ein Genuss! Ein junger Mann mit gechartertem schnellen Motorboot und nervöser Frau unter Deck ist mit der Bedienung des Schiffes total überfordert und hangelt sich krachend und splitternd von Heck zu Heck der Yachten in der Boxengasse. Blitzartig stehen die Yachties mit Fendern Spalier und hoffen, dass dieser Kelch an ihnen vorüber gehen möge. Der Name des Motorbootes: "April Fool" :-))) Und bereits gestern hat uns "Sea Frog", eine Stahlketch mit Rentnerehepaar, demonstriert, dass der Steg sich auch mit einem Stahlrumpf und roher Gewalt nicht in zwei Hälften teilen lässt. Der Skipper hatte beim Aufstoppen den Rückwärtsgang mit dem Vorwärtsgang verwechselt. Sechste Etappe: Ramsgate – Nieuwpoort – Vlissingen – Scheveningen – NauernaDienstag geht es zurück auf das europäische Festland. Wir haben uns eine Route über den Kanal überlegt, die östlich, weit außerhalb des Bereiches der Schnellfähren zwischen Dover und Calais liegt. Zwei Verkehrstrennungsgebiete müssen wir überqueren und dabei darauf achten, dass die Mittschiffslinie im rechten Winkel zur vorgeschriebenen Fahrtrichtung liegt. Wir wählen die Aufbruchszeit so, dass die Strömung im Kanal uns ebenfalls östlich versetzt und wir unserem Ziel, Nieuwpoort in Belgien, während der Kanalüberquerung näher kommen. Der Wind aus Südwest ist ebenfalls auf unserer Seite.Bevor wir auslaufen können, müssen wir zwei Schlepper abwarten, die einen Leichter mit riesigen Stahlröhren in den Hafen schleppen. Danach erhalten wir die Freigabe von Ramsgate Port Control und laufen aus. Alles läuft zunächst wie geplant, bis das Echolot plötzlich anfängt, zu piepen. Zwei Sekunden später rumpelt es schon, wir sind aufgelaufen. Schoten auf! Abfallen! Sofort kommen wir wieder frei und umfahren die Sandbank, die sich offensichtlich eine gute Meile nördlicher befand, als in der Seekarte eingezeichnet. Kathrin schaut etwas verschreckt aus der Wäsche, Petra – die unten liegt und döst – murmelt nur etwas von "Langkieler!" und schläft weiter. Nicht das erste Mal, dass wir froh sind, keinen Flossenkiel zu haben. Etwa eine Meile hinter uns beobachten wir den nächsten Segler, der sich wohl die gleiche Route wie wir überlegt hat. Es dauert nicht lange und auch er macht den Diener. Die Querung der Verkehrstrennungsgebiete verläuft völlig reibungslos. Es ist wenig los. Nur ein oder zwei wirklich große Containerschiffe, die wir mit ausreichend Abstand passieren lassen. Kaum zu glauben, dass der Ärmelkanal die am meisten befahrene Wasserstraße der Welt ist. Ein Zeichen der Wirtschaftskrise? Auch vor Lowestoft haben wir viele Tanker und Frachter auf Reede liegen sehen. Pünktlich nachdem wir das letzte Verkehrstrennungsgebiet hinter uns gelassen haben, schläft der Wind fast ein. Wir versuchen es noch mit dem Spinnaker, aber es hat keinen Sinn. Also müssen wir die letzten Meilen motoren. Wir erreichen Nieuwpoort am frühen Abend. In der Marina füllen wir unseren Dieseltank. Nach dem Anlegen besuchen wir das Marinarestaurant. Aber das Essen ist ziemlich schlecht. Mir geht es ohnehin nicht so gut. Ich bin ziemlich geschafft und haue mich früh in die Koje. Mittwoch wird ein toller Segeltag. Sonnenschein und Spinnakerwind! Wir rauschen an der (trostlosen) Küste entlang. Nächster Hafen ist Vlissingen. Auch hier haben wir uns, wie in London, bereits telefonisch vorangemeldet. Ein weiser Entschluss, denn der Hafen ist klein, eng und ziemlich voll. Aber Vlissingen ist immerhin ein netter Ort. Wir erleben einen traumhaften Sonnenuntergang in einem an der Strandpromenade gelegenen Cafe. Donnerstag geht es weiter Richtung Nordosten. Unser nächster Anlaufpunkt ist Scheveningen. Ein weiter Schlag. Deshalb setzen wir uns schon sehr früh in Bewegung. Die Sonne scheint, aber der Wind bleibt weitgehend aus. Unter Motor erreichen wir das Mündungsgebiet der Maas. Auch hier heißt es, sich per Funk anzumelden, damit die Verkehrszentrale den ein- und auslaufenden Verkehr der Großschifffahrt mit den querlaufenden Yachten koordinieren kann. Hinter der Maasmündung kommt endlich Segelwind auf und wir erreichen die Hafeneinfahrt von Scheveningen unter Segeln. Der Gästehafen von Scheveningen ist allerdings eine Zumutung. Im Abwind der Fischfabrik gelegen, völlig überbelegt und mit 25 EUR pro Nacht unverschämt teuer. Wir freuen uns, Scheveningen am Freitag wieder zu verlassen. Unter Segeln geht es den letzten Schlag an der – nach wie vor ziemlich langweiligen – Nordseeküste entlang bis nach IJmuiden. Hinter der Schleuse im Nordzeekanal setzen wir die Genua (mit Baum). Der Wind schiebt uns beharrlich unserem Ziel, Nauerna, entgegen. Nauerna liegt etwa eine Stunde hinter IJmuiden an einem nördlichen Seitenarm des Nordzeekanals. Man muss eine bewegliche Brücke passieren, deren Bedienung man per Funk anfordern kann. Nauerna selbst ist ein kleiner Sportboothafen mit einem netten Hafenmeister, der auf einem Hausboot wohnt. Der Preis ist günstig, man hat sogar Strom. Also eine gute Alternative zum Übernachten vor der Schleuse in IJmuiden. Gegenüber vom Hafen liegen sowohl alte als auch sehr moderne Hausboote. Kein schlechter Platz, um dort zu wohnen. Siebte Etappe: Nauerna – Marken – LelystadAm Samstag geht es zurück ins Markermeer. Bevor wir aufbrechen, setze ich die Flaggen der bereisten Länder unter der Backbordsaling. Seemännisch natürlich Unsinn - aber trotzdem schön anzusehen.Wir verlassen Nauerna, segeln gemütlich auf dem Nordzeekanal bis Amsterdam, passieren die Oranjesluiz und nehmen Kurs auf das Pferd von Marken. Der Wind weht aus Nordwest bis West. Bei diesem Wind kann man südöstlich vom Pferd von Marken sehr komfortabel ankern. Der Ankergrund ist sandig und hält gut. Man liegt absolut ruhig, kann die Yachten beobachten, die an der Landspitze von Marken vorbei segeln und hat einen grandiosen Ausblick auf den Leuchtturm. Wir verbringen einen schönen Abend mit leckerem Essen, Wein und Gitarre. Sonntag nehmen wir Kurs auf unseren Heimathafen. Wir müssen etwas aufkreuzen, der Wind hat nördlicher gedreht. Am frühen Nachmittag erreichen wir Lelystad. Was für ein Törn. Über 600 Seemeilen haben wir in den letzten zwei Wochen hinter uns gelassen. Vier Länder haben wir bereist. Viel gelernt haben wir über uns selbst, aber auch über das Segeln in Gezeitenrevieren. Als unverzichtbar hat sich der aktuelle Nautic Almanach von Reeds erwiesen. Da steht wirklich ALLES drin: Gezeiten, Strömungen, Häfen, Revierbesonderheiten. Es war teilweise sehr anstrengend, aber auf jeden Fall sehr lehrreich. Und eines ist nach diesem Törn sicher: Unser Schiff hält mehr aus als wir! Nachschlag: Lelystad – Enkhuizen – Edam – LelystadWir verabschieden uns von Kathrin und Peter, deren Urlaubsreise heute zu Ende geht. Dann kümmern wir uns um unser Schiff und schwingen den Schrubber.Gereinigt und gelüftet (ja, auch wir haben geduscht!) legen wir ab und segeln nach Enkhuizen. Wir planen dort morgen einen Hafentag, um die Stadt mal näher kennen zu lernen. Ist ja auch schon komisch: Man ist so oft dort, sieht aber immer nur den Hafen und die Restaurants in unmittelbarer Nähe. Wir passieren als einziges Schiff am frühen Abend das Naviduct und finden noch Platz im Buitenhaven. Hungrig probieren wir das Restaurant direkt an der Südseite des Buitenhavens aus (Treppe hoch im ersten Stock gelegen). Es ist überraschend gemütlich (sieht von außen viel touristischer aus, als es ist). Das Essen ist ok, nicht überwältigend, aber auch preislich in Ordnung. Und die Bedienung ist sehr nett. Nach dem Essen wollen wir noch was unternehmen. Aus Richtung Schleuse hören wir Musik. Am Bahnhof vorbei hinter dem Restaurant ist in 500m Entfernung ein Zelt aufgebaut. Darin spielt eine Liveband. Getränke gibt es gegen Getränkemarken. Das Zelt ist bevölkert von lustigen Holländern (die Bedienung von eben ist auch da), die ausgelassen singen und tanzen. Wir tanzen mit und haben viel Spaß. Am Montagmorgen schlendern wir durch die Stadt. Eigentlich wollten wir mal sehen, wie man hier so einkaufen kann. Wir stellen aber fest, dass in Enkhuizen die Geschäfte am Montag erst mittags aufmachen. Entsprechend wenig ist morgens noch los. Stattdessen drehen wir eine große Runde durch den Ort und müssen feststellen, was für ein schönes Städtchen Enkhuizen ist. Auch in zweiter und dritter Reihe sehr schöne Häuser und gepflegte Gärten. Spontan entschließen wir uns, das Zuiderzee Museum zu besuchen. Dabei handelt es um ein Freiluftmuseum. Hier sind alte Häuser aus der Zuiderzeegegend im Original wieder aufgebaut. Schilder an den Häusern erzählen, welche Menschen dort früher gewohnt haben und wie deren Leben war. Das Herzstück des Museums ist ein intaktes Dorf inklusive Dorfleben und Menschen, die in Tracht gekleidet die Häuser bewohnen und ihren handwerklichen Tätigkeiten nachgehen. Die alte Schule hat noch einen Lehrer, der regelmäßig Schulstunden (für die Besucher) abhält. In der alten Wäscherei wird Wäsche wie früher gewaschen. Das Ganze angetrieben von einer Dampfmaschine, die von einem echten Heizer befeuert und gewartet wird. Kinder laufen in Originaltrachten herum. Man kann sich hier den ganzen Tag aufhalten. Es hat uns sehr gefallen. Dienstag ist unser Ziel Edam. Petra möchte gerne mal den Käsemarkt sehen. Wir legen vor dem Campingplatz an und gehen zu Fuß in den Ort. Leider ist heute keine Käsemarkt. Schade! Wir kaufen uns trotzdem leckeren Käse in einem der Käseläden und spazieren zurück zu unserem Schiff. Eigentlich wollten wir heute hier bleiben, aber für morgen ist schlechtes Wetter angesagt. Und so richtig heimelig ist es hier auch nicht. Kurzentschlossen segeln wir zurück nach Lelystad und machen es uns dort an Bord gemütlich. Warum auch nicht. Abenteuer haben wir in den letzten zwei Wochen zahlreiche erlebt. So klingt unser Urlaub ganz entspannt aus. Was wir wohl nächstes Jahr unternehmen? Ostfriesische Inseln und Helgoland? Wer weiß ... |
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